Der CDR-Award wird erstmals verliehen

Achim Halfmann

Thunderbird Supercomputer am Sandia National Laboratory (Foto: Science in HD auf Unsplash)

In diesem Jahr wird erstmals der CDR-Award verliehen; die Bewerbungsfrist läuft noch bis Ende September. Positionieren will sich der Award als der zentrale Wettbewerb für Corporate Digital Responsibility (CDR) in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unternehmen, NGOs und öffentliche Einrichtungen, die CDR in ihrer Organisation ganzheitlich denken, können teilnehmen. Ausgelobt wird der Award vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und Bayern Innovativ; die Bayerische Landesregierung ist als Schirmherrin mit an Bord. Über den Award und seine Kriterien sprach das CSR MAGAZIN mit Karine Rübner, Referentin New Work & Digital Responsibility beim BVDW, Dominik Golle, Projektmanager Technologie bei Bayern Innovativ und Frank Esselmann von der begleitenden Unternehmensberatung concern. Das Gespräch führte Achim Halfmann.

CSR MAGAZIN: Mit dem CDR-Award knüpfen Sie, was dessen Kriterien betrifft, an die „CDR Building Bloxx“ des BVDW an. Warum?

Dominik Golle

Dominik Golle: Für den CDR-Award übersetzen wir die CDR Building Bloxx in grundsätzliche Fragen und bewertbare Kriterien, an denen intendierte Wirkung gemessen werden können und die den Jurymitgliedern Erwägungsgründe bieten. Daneben kann jedes Jurymitglied auch andere Aspekte berücksichtigen. Dies ist unser erster Award und die Bewertbarmachung ist ein iterativer Prozess.

Karine Rübner: Die CDR Building Bloxx sind ein offener Ansatz, sodass auch da immer neue Aspekte dazukommen werden. Wir wollen danach neue Beispiele aus dem CDR-Award rückkoppeln, um die CDR Building Bloxx mit noch mehr Praxis zu hinterlegen. Die Bloxx sind erweiterbar, wir planen einen kontinuierlichen Prozess, der von Erfahrung lebt und Praxisbeispiele ernsthaft und ehrlich widerspiegelt.

Frank Esselmann: Für diese Offenheit des Ansatzes bei Building Bloxx und Award gibt es gute Gründe, u.a. das sogenannte Collingridge-Dilemma. Technologische Entwicklungen verlaufen so schnell, dass man anders arbeiten muss als mit Gesetzen. Auch der CDR-Award würde mit starren Kriterien an der Unvorhersehbarkeit der Entwicklungen scheitern, und deshalb braucht es ein dynamisches Format.

CSR MAGAZIN: Dann soll der CDR-Award einen Beitrag dazu leisten, in einer solch rasanten technologischen Entwicklung ethische Kriterien zu verankern?

Karine Rübner

Karine Rübner: Mit Blick auf die Corporate Digital Reponsibility reden wir von Selbstverpflichtung statt von Regulierung. CDR greift ethische Fragen auf, die sich bereits im Transformationsprozess stellen. Reguliert wird jedoch oft erst dann, wenn ein Produkt oder Service bereits vorhanden ist.

Im Prozess der ethischen Orientierung sollen die CDR Building Bloxx unterstützen. Die schwarzen und grauen Bloxx beschäftigen sich mit Grundfragen digitaler Ethik, mit Menschen und Werten. Bei den farbigen Bloxx geht es um konkrete Fragen der Umsetzung – etwa um die Künstliche Intelligenz -, und hierbei sind Prozesse und Tools sehr wichtig. Insgesamt steht die Entwicklung des jungen Themas CDR erst am Anfang. So suchen Unternehmen danach, wie und wo sie CDR-Strategien verankern. Unser Award will der CDR Impulse vermitteln.

CSR MAGAZIN: Bei einem so jungen und dynamischen Thema wird es Unternehmen nicht leichtfallen, fertige und bereits umgesetzte Themen zu dem Award einzureichen.

Dominik Golle: Beim CDR-Award schauen wir uns Projekte an und nicht so sehr die Gesamtorganisation. Und wir bemühen uns um einen guten Mix aus Ergebnisqualität und Prozessqualität. Entsprechend achten wir neben dem konkreten Ergebnis eines Projekts auch darauf, wie es im Unternehmen verankert ist und welche Abteilungen involviert sind.  Um sich am Award zu beteiligen, muss ein Unternehmen die CDR-Integration nicht bereits abgeschlossen haben. Wir zeichnen ehrliches Engagement auf Projektebene aus.

CSR MAGAZIN: Im Blick auf die Digitalisierung beschäftigt Verbraucher besonders die Sicherheit ihrer Daten – auch angesichts der jüngsten Angriffe auf Unternehmen und Organisationen. Und sie fühlen sich undurchsichtigen Algorithmen ausgeliefert. Sind Datensicherheit, Transparenz und Cybersecurity Themen des CDR-Awards?

Dominik Golle: Beim CDR-Award lohnt sich die Einreichung von Projekten, die gut mit Konflikten umgehen und diese im Sinne von Verbrauchern lösen. Und das gilt definitiv auch für die von Ihnen genannten Themen. Wir glauben, dass hier viel mehr möglich ist, als häufig angenommen. Z.B. im Bereich der Transparenz: Auch wenn Unternehmen anführen, Algorithmen aufgrund der Konkurrenzsituation nicht offengelegt zu können, können sie sehr wohl die Ziele offengelegen, auf die hin solche Algorithmen optimiert werden. Das ermöglicht dann eine Bewertung, ob diese Algorithmen ethischen Kriterien entsprechen.

Frank Esselmann

Frank Esselmann: Wir können klar sagen, dass beim CDR-Award solche Projekte ausgezeichnet werden sollen, die eine Verbraucherautonomie fördern.

Dominik Golle: Die Übergänge zwischen Eigennutz für die Unternehmen und dem gesellschaftlichen Nutzen sind durchaus fließend, z.B. beim Thema Cybersecurity: Widmet sich ein Unternehmen dem Thema nur, um sich selbst zu schützen? Ober weitet es diesen Schutz auf Gruppen aus, die nicht zu seinen Kundinnen und Kunden gehören? Werden etwa – über das Eigeninteresse hinaus – besonders vulnerable Gruppen geschützt? Hier Abwägungen zu treffen, wird eine spannende Aufgabe der Jury sein.

Darüber hinaus sind bei der CDR neben den Verbrauchern auch die Mitarbeitenden eines Unternehmens im Blick: Können etwa Digitalisierungsprozesse von den Mitarbeitenden partizipativ mitgestaltet werden?

CSR MAGAZIN: Mit dem CDR-Award wollen Sie das freiwillige ethische Engagement stärken. Ist es aber nicht so, dass die Mehrzahl der Unternehmen und Organisationen erst reagiert, wenn der Gesetzgeber aktiv wird?

Frank Esselmann: Wie schon bei der Corporate Social Responsibility spielen Politik und gesetzliche Regulierungen als Innovationstreiber auch bei der CDR eine wichtige Rolle. Denken Sie etwa an die letzten Digital-Gipfel des Bundeswirtschaftsministeriums oder die EU-Richtlinie zur Künstlichen Intelligenz. Die Politik sorgt für Druck.

Karine Rübner: Mit dem CDR-Award wollen wir davon unabhängig die intrinsische Motivation der Unternehmen stärken. Themen der digitalen Transformation sind häufiger oben in den Hierarchien – bei den Vorständen und Geschäftsführungen – angesiedelt als die CSR. Auch als Megatrend und aufgrund der hohen Bedeutung für das Kundenvertrauen haben digitale Themen einen festen Platz in den Vorständen. Bei der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens sind technologische Entwicklung und ethischer Anspruch gleichzeitig zu berücksichtigen.

Dominik Golle: Der europäische Digitalmarkt spielt im internationalen Vergleich eine untergeordnete Rolle. Darin liegt eine Chance: Wir müssen nicht fürchten, eine Spitzenposition zu verlieren. Wir können aber als Europäer Mittel und Wege suchen, eine wertebasierte Konkurrenz zu US-amerikanischen Konzernen aufzubauen. Deshalb sind Regulierungen auf dem europäischen Markt mitunter willkommen. Und deshalb müssen wir über Werte reden – wie wir es mit dem CDR-Award fördern.

Vielen Dank für das Gespräch!

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